Temperaturmessung im Loferer Schacht

Autor: Jochen Hartig, DAV Höhlengruppe Frankfurt/Main, 2005


Inhaltsverzeichnis

   1. Zusammenfassung
   2. Einleitung
   3. Datengrundlage
   4. Temperaturverhalten
   5. Windsysteme
   6. Links


1. Zusammenfassung

Im Zeitraum von September 2004 bis August 2005 wurden im Loferer Schacht (Eingangshöhe 2200 m) zwei Temperaturmessungen durchgeführt, eine in der Schachtzone nahe des Eingangs und die andere in der horizontalen Höhlenetage in -600 m Tiefe. Durch den Vergleich mit den Lufttemperaturen nahegelegener Wetterstationen konnte eine gute Korrelation der Tagesdurchschnittstemperaturen festgestellt werden. Der winterliche Schneeverschluss des Loferer Schachts war deutlich in der eingangsnahen Messung zu erkennen. Aufgrund der nicht korrespondierenden Messungen in den beiden Höhlenzonen, ist von zwei unabhängigen Windsystemen auszugehen. Die tiefe Jahresdurchschnittstemperatur in der horizontalen Höhlenetage weist darauf hin, dass das entsprechende Windsystem auf einem Höhenniveau von 2000 m beginnt. Exakt auf dieser Höhe befindet sich am Südhang des Gebirges eine ausgeprägte Störungszone, deren Kluftsystem allerdings nicht passierbar ist.


2. Einleitung

Der Loferer Schacht befindet sich in den Loferer Steinbergen (Land Salzburg, Österreich) und wird seit 1990 von der Höhlengruppe des Deutschen Alpenvereins Sektion Frankfurt/Main erforscht. In jährlich stattfindenden Forschungsexpeditionen konnte der Loferer Schacht bis zur einer Tiefe von -790,20 m befahren und vermessen werden. Mit einer Gesamtlänge von 7343,63 m ist der Loferer Schacht mit Abstand die größte Höhle der Loferer Steinberge.

Zwei Charakteristika prägen den Loferer Schacht: das Schachtsystem, welches vom Eingang (Höhe 2200 m) nahezu senkrecht bis auf -600 m führt und eine großräumige Höhlenetage, die sich fast 1000 m von SW nach NO entlang einer Störungszone und parallel zu den einfallenden Schichten des Dachsteinkalks erstreckt.

Im August 2004 wurden im Loferer Schacht zwei digitale Temperaturlogger für eine ganzjährige Temperaturmessung angebracht. Einer im Schachtsystem nahe des Eingangs bei -60 m, wo wegen des Windzugs in die Höhle und des Wassereintrags eine starke Abhängigkeit von der Umgebung zu erwarten ist. Der zweite Temperaturlogger wurde in der trockenen Höhlenetage auf -585 m angebracht.

Abbildung 1: Schnitt Loferer Schacht (SW - NO)

Zielsetzung des Unternehmens war es, durch die Auswertung der beiden aufgezeichneten Temperaturverläufe und dem Vergleich mit Temperatur- und Niederschlagsdaten von nahegelegenen Wetterstationen, das Temperaturverhalten und die Windsysteme des Loferer Schachts zu beschreiben. Darüber hinaus soll die Abhängigkeit von äußeren Faktoren wie Temperatur, Inversionswetterlagen, Niederschlagsereignissen und den Verschluss des Eingangs durch eine geschlossene Schneedecke festgestellt werden.


3. Datengrundlage

3.1 Temperaturlogger

Zur Messung des Temperaturverlaufs wurde der Temperaturlogger M-Log 1 der Firma GeoPrecision eingesetzt. Mit diesem robusten und wasserdichten Gerät können bis zu 125.000 Temperaturwerte mit einer Auflösung von 0,01 °C gespeichert werden. Der Startzeitpunkt der Messung und der Messzyklus (5 s bis 12 h) sind einstellbar. Mit einer Lebensdauer der Lithium-Batterie von bis zu fünf Jahren ist ein mehrjähriger Einsatz im Hochgebirge bzw. in Höhlen problemlos möglich.

Abbildung 2: Temperaturlogger

Im Loferer Schacht wurden die Temperaturen alle 15 Minuten gemessen, so dass im Messzeitraum pro Logger über 35.000 Werte gespeichert wurden. Über eine Infrarot-Schnittstelle wurden die Daten auf einen PC übertragen und mit Excel ausgewertet.

Um die Messungen im Loferer Schacht mit den Temperaturen der nahegelegenen Wetterstation Loferer Alm vergleichen zu können, mussten die Messzeiten minutengenau synchronisiert werden. Dazu wurde die aufgetretene jährliche Gangungenauigkeit der Temperaturlogger von 15-20 Minuten linear korrigiert und die Messzeiten in UTC umgerechnet.

Die von den beiden Temperaturloggern im Loferer Schacht gemessenen Daten werden in der nachfolgenden Übersicht als Tagesdurchschnittswerte darstellt.

Abbildung 3: Messwerte der Temperaturlogger (01.09.2004 - 24.08.2005)

Am Verlauf der Temperatur in -585 m Tiefe ist zu erkennen, dass diese im einjährigen Messzeitraum relativ konstant bleibt und nur um ca. 0,75 °C variiert. Dagegen ist die Temperatur in -60 m Tiefe wesentlich stärker von der Außentemperatur und wie sich noch zeigen wird, von der Schneesituation abhängig.

Logger

Minimum

Durchschnitt

Maximum

T1 (-60 m)

0,25 °C (15.12.2004)

1,19 °C

2,70 °C (12.09.2005)

T2 (-585 m)

1,86 °C (27.02.-13.03.2005)

2,06 °C

2,45 °C (02.11.2004)

Tabelle 1: Extrem- und Durchschnittswerte der Messwerte

3.2 Wetterstationen

Die benötigten Daten von Wetterstationen wurden vom Datenservice des Deutschen Wetterdienstes zur ausschließlichen Verwendung für Forschung und Lehre zur Verfügung gestellt.

Die dem Loferer Schacht am nächsten gelegenen Wetterstationen (Abstand 5 bis 10 km) sind:

Von diesen Wetterstationen liegen folgende Daten vor:

Die von den beiden Wetterstationen in Lofer und auf der Loferer Alm gemessenen Daten werden in der nachfolgenden Übersicht als Tagesdurchschnittswerte darstellt.

Abbildung 4: Lufttemperaturen an den Wetterstationen (01.09.2004 - 31.08.2005)

Aufgrund der Jahresdurchschnittswerte und der Höhen der beiden Wetterstationen kann für den Eingang des Loferer Schachts (2200 m) eine Durchschnittstemperatur von 1,2 °C hochgerechnet werden. Dieser angenommene Wert stimmt verblüffend genau mit der Durchschnittstemperatur im -60 m Tiefe (1,19 °C) überein.

Wetterstation

Minimum

Durchschnitt

Maximum

Lofer (625 m)

-18,0 °C (01.03.2005)

7,4 °C

33,1 °C (29.07.2005)

Loferer Alm (1623 m)

-20,0 °C (28.02.2005)

3,47 °C

26,5 °C (29.07.2005)

Tabelle 2: Extrem- und Durchschnittswerte der Lufttemperaturen

Die durchschnittliche Differenz der Tageshöchst- und Tagestiefsttemperaturen an der Wetterstation Lofer beträgt am Winteranfang ca. 5 °C und am Sommeranfang ca. 12 °C. Auf der Loferer Alm liegt die durchschnittliche Differenz dagegen ganzjährig bei 4,25 °C. Dieser Wert kann wegen der ähnliche Höhenlage auch für den Eingang des Loferer Schachts angenommen werden.

Die Wetterstationen Lofer und Loferer Alm liegen 4,2 km voneinander entfernt. Bereits dieser kurze Abstand und der Höhenunterschied von 1000 m führen bei gleichen Niederschlagsereignissen zu teilweise stark unterschiedlichen Niederschlagshöhen. Zur Übersicht werden die gemessenen Niederschläge nachfolgend in Tageshöhen darstellt.

Abbildung 5: Niederschläge an den Wetterstationen (01.09.2004 - 31.08.2005)

Trotz der Unterschiede bei den einzelnen Niederschlagsereignissen ist in der kumulierten Darstellung ein ähnlicher Jahresverlauf festzustellen. Die jährliche Niederschlagsmenge beträgt an beiden Wetterstationen ca. 1850 mm. Dieser Wert kann wegen der regionalen Nähe auch für Eingang des Loferer Schachts angenommen werden.

Abbildung 6: Kumulierte Niederschläge an den Wetterstationen


4. Temperaturverhalten

Beim Vergleich der Messwerte im Stundebereich konnte keine signifikante Korrelation festgestellt werden. Eine Ursache dafür sind vermutlich die abweichenden Lokaltemperaturen zwischen der Wetterstation und dem Eingang des Loferer Schachts. Weiterhin weisen die nicht korrespondierenden Temperaturänderungen an den Temperaturloggern T1 (-60 m) und T2 (-585 m) darauf hin, dass es sich jeweils um unabhängige Windsysteme handelt.

Nachfolgend wird ein repräsentatives Beispiel für den kurzfristigen Temperaturverlauf (13. - 17.09.2004) auf Basis von stündlichen Werten dargestellt.

Abbildung 7: Exemplarischer Temperaturverlauf im Loferer Schacht

Für die zehn stärksten Niederschlagsereignisse konnte keine signifikante Änderung der Temperatur an den Temperaturloggern im Loferer Schacht erkannt werden. Auf eine weitere Auswertung der Niederschlags- und Winddaten wurde deshalb verzichtet.

Ein Vergleich der Tagesdurchschnittstemperaturen zwischen der Wetterstation und den Temperaturloggern im Loferer Schacht weist dagegen die erwartete Korrelation auf (Abbildung 8).

Der Temperaturverlauf des nahe am Eingang gelegenen Temperaturloggers T1 korreliert gut mit der gemessenen Lufttemperatur auf der Loferer Alm. Eine mittelfristige Änderung der Tagesdurchschnittstemperatur um 10 °C bewirkt eine entsprechende Änderung der Temperatur am Temperaturlogger T1 (-60 m) um 0,4 - 0,5 °C. Dieses Verhalten wird allerdings nur beobachtet, wenn der Eingang des Loferer Schachts nicht unter einer geschlossenen Schneedecke liegt.

Abbildung 8: Temperaturlogger T1 (-60 m)

Anhand der gemessenen Werte am Temperaturlogger T1 kann deutlich festgestellt werden, wann der Loferer Schacht unter einer geschlossenen Schneedecke lag (Abbildung 9). In diesem Zeitraum sinkt die Temperatur in der Höhle nicht wesentlich weiter ab.

Im Zeitraum von 07.12. - 17.12.2004 wurde der Schneeverschluss durch eine Schmelzperiode aufgehoben. In diesem Zeitraum ist die Temperatur am Temperaturlogger T1 um ca. 0,5 °C abgesunken. Dies kann auf den Eintrag von kaltem Schmelzwasser und der extrem ausgeprägten zehntätigen Inversionswetterlage zurückgeführt werden, bei der im Loferer Schacht eventuell ein bergwärts gerichteter Wind vorherrschte.

Abbildung 9: Schneeverschluss des Loferer Schachts

Die Messwerte des Temperaturloggers T2 korrelieren ebenfalls gut mit der gemessenen Lufttemperatur auf der Loferer Alm. Eine mittelfristige Änderung der Tagesdurchschnittstemperatur um 10 °C bewirkt eine entsprechende Änderung der Temperatur am Temperaturlogger T2 (-585 m) um 0,1 - 0,2 °C. Die nicht weiter sinkenden Temperaturen zwischen dem 23.01. und 14.03.2005 weisen auf einen Schneeverschluss hin.

Abbildung 10: Temperaturlogger T2 (-585 m)

Durch zwei Trendlinien ist der langfristige Temperaturverlauf dargestellt. Hier lässt sich ablesen, dass das Temperaturniveau am Temperaturlogger T2 mit einer Verzögerung von ca. 40 Tagen dem saisonalen Außentemperaturniveau nachläuft. Dies ist mit der Speicherwirkung des die Höhle umschließenden Gesteins zu erklären.


5. Windsysteme

Aufgrund der nicht korrespondierenden stündlichen Temperaturänderungen an den Temperaturloggern T1 (-60 m) und T2 (-585 m) wird angenommen, dass zwischen den Windsystemen der Schachtzone und der Höhlenetage kein direkter Zusammenhang besteht (Abbildung 11).

Ein noch schwerwiegenderes Argument für zwei Windsysteme ist die unterschiedliche Dauer der entsprechenden Schneeverschlüsse. Während der Eingang des Loferer Schachts (Temperaturloggers T1) am Nordhang liegt und über 8 Monate mit Schnee bedeckt ist, muss das Windsystem am Temperaturlogger T2 mit einem nur 2 Monate verschlossenen Eingang auf der Südseite zusammenhängen.

Abbildung 11: Windsysteme im Loferer Schacht (SW - NO)

Die Jahresdurchschnittstemperatur am Temperaturlogger T1 beträgt 1,19 °C, was der Durchschnittstemperatur auf 2200 m entspricht. Bei der Jahresdurchschnittstemperatur am Temperaturlogger T2 von 2,06 °C ist davon auszugehen, dass das entsprechende Windsystem seinen Ursprung auf einem Höhenniveau von ca. 2000 m hat, wo diese Durchschnittstemperatur herrscht.

Diese Ergebnisse decken sich mit denen einer durchgeführten Außenvermessung, bei der ein weiteren Eingang des Loferer Schacht gesucht wurde. In sehr steilem Gelände konnte mit Hilfe von GPS eine Annäherung auf 225 m zum nächsten vermessenen Höhlenteil erreicht werden.

Aufgrund der Erkundung vor Ort und der Gesteinsbeschaffenheit ist allerdings nicht mit einem befahrbaren zweiten Eingang zu rechnen. Der Beginn eines Windsystems lässt sich aber insoweit bestätigen, dass eine markante Störung in einer Höhe von 1950 bis 2025 m zu Tage tritt, die sicherlich genug Wind führende Klüfte ausweist.

Im Regelfall herrscht im Loferer Schacht ein talwärts gerichteter Wind vor. Bei einigen Wetterlagen wurde allerdings ein bergwärts gerichteter Wind festgestellt. Um die Zusammenhänge zwischen Windrichtung in der Höhle und Wetterlage zu untersuchen, plant die DAV Höhlengruppe Frankfurt/Main für 2006 Windmessungen im Loferer Schacht.


6. Links

   DAV Höhlengruppe Frankfurt/Main
   GeoPrecision - Temperaturlogger M-Log 1
   Deutscher Wetterdienst - Datenservice